Westliche Werte
Eine bemerkens- und nachdenkenswerte Analyse und ein richtiger, für unsere Zukunft essentieller Appell an uns alle:
Prof. Dr. Ulrike Ackermann, Sozialwissenschaftlerin, ist Professorin für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Freiheitsforschung. Sie ist Gründerin und Direktorin des John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschung. www.mill-institut.de
Westliche Werte
So tragisch der Anlass auch sein mag: die islamistischen Terroranschläge in Paris, die Morde an den Mitarbeitern der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo und insbesondere die jüngsten grauenhaften Attentate am vergangenen Freitag zwingen uns wieder einmal, uns der grundlegenden Errungenschaften der liberalen Demokratie zu vergewissern, und genau hinzuschauen, wo und in welcher Weise unsere mühsam erkämpften Freiheiten und der Kanon westlicher Werte bedroht sind.
Denn explosiver Hass schlägt dem Westen entgegen. Der Terror des politischen Islam und seine totalitäre Ideologie haben seit dem Massaker in New York am 11. September 2001 inzwischen längst die Hauptstädte Europas erreicht. Gehasst wird der Geist des Westens, wie er in Wissenschaft und Vernunft zum Ausdruck kommt, und sein Lebensstil. Gebrandmarkt wird sein Individualismus, sein Materialismus und Hedonismus, die Sexualität und ihr Urbild, der weibliche Körper. Besonders dem Gottlosen gilt der Hass, er soll vernichtet werden, um den Weg frei zu machen für die globale Herrschaft des Kalifats. Darin gilt das Individuum nichts und das Kollektiv alles. Mit dem Krieg, den der Islamische Staat und andere Terrorgruppen militärisch wie ideologisch gegen den Westen führen, hat diese totalitäre Ideologie rasante Verbreitung gefunden.
Wie reagieren die Deutschen auf all diese Herausforderungen? Anstelle einer offensiven Verteidigung der westlichen Freiheitswerte hat man zuweilen eher den Eindruck einer Freiheitsvergessenheit. Antiwestliche Ressentiments auf Seiten der Linken und Rechten beobachten wir auch bei unseren europäischen Nachbarn. Dort ebenso wie bei uns – etwa in Gestalt der inzwischen gespaltenen AfD und der Pegida-Bewegung – reichen diese Ressentiments aber auch in die Mitte der Gesellschaft hinein. Der diesjährige Arbeitsschwerpunkt des John Stuart Mill Instituts widmet sich deshalb den westlichen Werten, die von unterschiedlichen Seiten unter Druck geraten sind. In unserer Repräsentativerhebung, die im Rahmen des Freiheitsindexes 2015 angestellt wurde – , wollten wir u.a. wissen:
• Hat die Bevölkerung ein Bewusstsein von westlichen Freiheitswerten?
• Gibt es ein Bedrohungsbewusstsein?
• Ist die Gesellschaft bereit, diese Werte zu verteidigen?
Die Bereitschaft, westliche Werte im Bündnisfall zu verteidigen, ist in der deutschen Bevölkerung schwach ausgeprägt. Und der offene und latente Antiamerikanismus beeinflusst offensichtlich die Haltung zu westlichen Werten im Unterschied zu demokratischen und freiheitlichen. Das alle drei in unserer westlichen Zivilisationsgeschichte verknüpft sind, scheint im Bewusstsein nicht besonders präsent zu sein. Die barbarischen Terrorakte in Paris müssen dazu führen, dass eine breite Debatte in Gang gesetzt wird, die uns klarmacht, dass wir unsere Freiheit gegenüber den Feinden der Freiheit immer wieder neu verteidigen müssen. Unsere westlichen Werte ebenso wie unseren Lebensstil, den anspruchsvollsten, den wir je erreicht haben und den viele Menschen auf der Welt ebenso anstreben. Angesichts der gegenwärtigen Situation sollten wir uns also dringen darüber verständigen und streiten, was uns unsere mühsam erkämpften Freiheiten wert sind – und vor allem: was davon nicht verhandelbar ist.
Das Ergebnisdossier zum Freiheitsindex 2015, Schwerpunkt „Westliche Werte“ ist auf unserer Homepage: www.mill-institut.de abrufbar