Kommentar zur These von Jamie Barlett: Anonymität /optimale Kundenorientierung
Klaus Rössler, in der Agentur ROESSLERPR verantwortlich dafür, den Kunden die Chancen und Möglichkeiten aufzuzeigen, die die digitalen Medien und das Internet bieten, und Umsetzungen zu entwickeln – www.roesslerpr.de:
Führt das anonyme Einkaufen zur ultimativen Kundenorientierung?
Ich bin mir da gar nicht so sicher. Nicht dass es nicht wünschenswert wäre – ich bin ein großer Fan von anonymem Bargeld 🙂 – aber der Mensch ist zu bequem und lässt sich leicht verführen. Auch bei Aldi kann man (noch) anonym einkaufen und dennoch gibt es immer wieder Verbesserungspotential, hat also noch nicht zur ultimativen Kundenorientierung geführt. Und Debit- und Kreditkarten sind auf dem Vormarsch, weil sie bequem sind oder als Kundenkarte Punkte versprechen.
Das Beispiel Silkroad hinkt insofern, als es um die reine produktbezogene Bedürfnisbefriedigung durch physikalischen Warenaustausch ging – und Anonymisierung sowieso eine Grundvoraussetzung des Geschäftsmodells war.
So hat man die Schwierigkeiten von Tor und anderen Tools in Kauf genommen. Anonym ist nämlich nicht so trivial. Ein einziger Fehler und das war’s mit der Anonymität. Mustererkennung und Metadaten sind auf lange Sicht stärker als Anonymisierungstools, weil sie im Menschen selbst liegen. Schon Tippgeschwindigkeit und -rhythmus können zur Identifizierung ausreichen.
Sobald über die rein produktbezogene Bedürfnisbefriedigung ein Hauch von Entertainment Shopping, Spaß und Befriedigung geistiger oder sozialer Bedürfnisse hinzukommt, klappt das auch nicht mehr mit der vollständigen Anonymisierung. „Kundenorientierung“ umfasst in diesem Fall mehr, und dieses Mehr ist auf Beziehungen aufgebaut.
Anonymität fördert Monopolbildung
Wenn man dem Handel durch absolute Anonymisierung die Chance auf Beziehungen nimmt, fördert und festigt man Monopole. Am Beispiel Amazon lässt sich das gut aufzeigen. Es gab bereits Versuche mit Probanden, die etwas online bestellen sollten – mit einer einzigen Regel: nicht bei Amazon. Die Recherche haben sie trotzdem bei Amazon gemacht. Einfach weil die Website besser ist, also Beratung und Service besser sind.
Wenn man das Wettbewerbselement Beziehung durch Anonymisierung ausklammert, wird der Status quo nicht nur zementiert, sondern durch den Zinseszinseffekt ein Monopol gefördert.
Nur durch relevante aktive Kundenbeziehung hat ein kleiner Händler eine Chance. Und das geht nicht mit Anonymität, sondern mit Vertrauen, Transparenz, nachvollziehbaren Algorithmen, die Privatsphäre und Überraschungen im Sinne von Zufallsfunden zulassen.
Fazit: Nicht Anonymität, sondern Wettbewerb fördert die ultimative Kundenorientierung.